Komfortzone - wo das Leben nicht passiert

Komfortzone: Wo das Leben nicht passiert

Können sie reiten? Diese Frage wurde einer Geschichte zufolge, mal einem Schauspieler gestellt, als es um eine Rolle ging, die es zu besetzen galt. Seine – wie ich finde – geniale Antwort lautete: „Ja! Ich muss es nur noch lernen.“ Beneidenswert, dieser gesunde Umgang mit dem „Nichtkönnen“ und dem Verlassen der Komfortzone.

Raus aus der Komfortzone, rein in die Lernzone

Wie oft stecken wir fest, weil wir uns einfach nicht vorstellen können etwas zu schaffen. Wir haben noch keine Ahnung wie etwas gehen soll. Die Aufgabe wirkt derart riesig und überwältigend, das der Mount Everest ein Klacks dagegen zu sein scheint. 

Im schlimmsten Fall probieren wir es dann erst gar nicht. Aber: wer nicht probiert hat auch keine Chance zu gewinnen. Auch wenn es erst mal heisst, raus aus der Komfortzone.

Komfortzone - wo das Lernen nicht passiert

Man wächst mit den Herausforderungen

Es war auf meinem ersten Kurztrip alleine mit meinem VW-Bus. Unterwegs war ich in Graubünden. Wer’s kennt weiss: kleine, verstreute Dörfchen in beeindruckender Bergkulisse mit teils echt unzumutbar schmalen Strassen. Ja, stimmt! Leicht übertrieben, aber damals meiner Wahrnehmung entsprechend.

Mein Navi wollte mich an einem Kieswerk vorbeiführen. Ich wollte keinen Lackschaden. Schnell nach einem alternativen Weg gesucht und runter ging’s – eben über eine solche Bergstrasse. Die Strasse wurde schmaler und schmaler. Mein Puls höher und höher. Und tatsächlich kam mir ein VW-Transporter entgegen. Und zwar genau auf der Höhe des einzigen Ausweichplatzes auf der Strasse. Was für ein Glückskind ich doch bin 🙂

Wahrscheinlich Freude taumelnd sah ich mich schon am nächsten Ziel meiner Reise. Aber es sollte anders kommen…

Wenn uns der Kopf einen Streich spielt und wir uns selbst im Weg stehen

Eigentlich ist es unglaublich, dass wir uns oft so wenig zutrauen. Wir können so viel mehr, als wir denken. Wenn wir es probieren und dabei liebevoll und geduldig mit uns sind.

Aber: wir Menschen sind leider nicht wirklich gut in realistischer Selbstwahrnehmung und in unserer Komfortzone ist es ja auch soooo gemütlich.

Letzten Endes ist es unsere Psyche die uns bremst, voller Elan und Abenteuerlust Neues zu entdecken. Hier kommt der Höhlenmensch in uns wieder zum Zug: Bekanntes ist sicher. Unbekanntes ist gefährlich.

Kaum steht man vor einer Herausforderung, geht’s los mit dem Entwickeln von Strategien die uns Ausweichmöglichkeiten versprechen. Die plötzlich aufkeimende, ausserordentliche Kreativität in diesen Augenblicken fasziniert mich immer wieder! Menschlich? Auf jeden Fall!

Nichts geht mehr – die Grenzen der Komfortzone

Da roll ich also gemütlich diese kleine Bergstrasse runter und freu mich, dass ich die Talsohle sehe. Keine weiteren Fahrzeuge, die zu kreuzen sind. Perfekt!

Bis ich vor einer Brücke stehe. Gefühlt eine etwas breitere Fussgängerbrücke, mit Seitenbögen, die bis in den Himmel ragen.

Was tun? Über diese Horrorstrasse zurück will ich nicht. Mich über diese Brücke quetschen kann ich nicht. Mir fällt das Auto ein, dass mich vorhin gekreuzt hat. Ein VW-Transporter, gleiche Baureihe. Mein Hirn realisiert: Offensichtlich muss es ja doch gehen. Der Rest von mir bleibt im Panik-Modus.

Danke für nichts, Negativitätsbias

Derartige Ängste sind hauptsächlich unseren Erfahrungen und unserer Erziehung zu verdanken. Und ich weiss jetzt grad ganz genau, wem ich die Schuld für diesen Schlamassel geben könnte. Tu‘ ich aber nicht. Ich will ja lernen, mich entwickeln, mich lebendig fühlen! Red ich mir ein, nützt aber grad irgendwie nichts. 

Es ist nämlich so, dass positive Erfahrungen einen wesentlich geringeren Eindruck bei uns hinterlassen als negative. Dem Negativitätsbias sei Dank! Wir sind eher geprägt von Misserfolgen und Scheitern als von unseren objektiv gesehenen Erfolgen und Topleistungen.

Schritt für Schritt aus der Komfortzone

Wahrscheinlich stand ich damals 30 Minuten vor dieser Brücke. Gut, dass die Strasse so wenig befahren war. Wär nämlich ganz schon peinlich gewesen.

Also:
Tief einatmen. Langsam auf die Brücke zufahren. STOP. Wieder zurück.
Mut sammeln. Tief einatmen. Langsam losfahren. STOP. Wieder zurück.
Mich erinnern, dass der VW-Bus auch über diese Brücke gefahren ist. Tief einatmen. Langsam losfahren. STOP. Wieder zurück.

Eigentlich sollte man ja meinen, dass das Gehirn in derartigen Ausnahmesituationen besonders kreativ ist, aber nein. Es dauerte nämlich verdammt lange, bis ich auf die Idee kam, die Seitenspiegel einzuklappen. 🙂 Und trotzdem. Das Drama nahm seinen Lauf. Bis zur Brücke und nicht weiter.

Vom Glück es geschafft zu haben

Irgendwann kam eine junge, sehr sympathisch aussehende Spaziergängerin die Bergstasse runter. Meine Rettung! Wenn dieses „Mein Gott wie peinlich. Am liebsten würd ich im Erdboden versinken“-Gefühl nicht gewesen wäre. Danke nochmal, liebe Psyche! 

Gesenkten Kopfes ging ich dann doch auf die junge Frau zu, erzählte von meinem Problem und ausführlich von der zugehörigen Peinlichkeit.
„Versteh ich. Ich würd mich mit dem Auto auch nicht rübertrauen, aber mein Papa hat das selbe und fährt jeden Tag drüber.“ Wow! So einfach?! Verständnis und Machbarkeitsbestätigung – so schön.

Sie lief dann langsam vor mir her über die Brücke. Ihr Gesicht zu mir. Schritt für Schritt lotste sie mich mit feinen Handbewegungen. Bis auch der Hintern meines Autos die Brücke verlassen hatte. Ich war geschafft und überglücklich.

Und weisst du was: Monate später stand ich mit meinem VW-Bus vor einem schmalen, engen, (dafür kurzen) Tunnel. Tief durchgeatmet. Mir: „Mädel, du schaffst das“ zugeflüstert und durchgefahren. YESSS!

Tipps um ins Tun zu kommen

Erinnerst du dich an das Gefühl das du hattest, als du das letzte Mal aus deiner Komfortzone raus bist? Als du alle Ängste, alle Bedenken über Bord geworfen hast? Mega, oder?!

Also: Raus mit dir! Probier, mach Fehler, lern! Und vergiss nicht:

„Noch“ ist ein richtiges Zauberwort. Du kannst etwas NOCH nicht.

Geh regelmässig aus deiner Komfortzone. Übung macht den Meister. Such dir eine Wochenchallange und go for it!

Mach aus grossen Herausforderungen kleine Teilaufgaben. Niemand steigt ohne Training auf den Mount Everest.

Um Hilfe bitten ist keine Schande (und für viele schon ein Übungsfeld).

Das neu gelernte üben.

Den Erfolg feiern!

Wie denkst du über dich und dein Leben, wenn du es geschafft hast?
Bist du stolz auf dich? Fühlst du dich stark? Spürst du dass da draussen noch ganz viele Abenteuer auf dich warten?

Und weisst du was: Als Bonus bist du auch noch um eine Geschichte reicher, die es definitiv wert ist, erzählt zu werden.

Die Anekdote über den Schauspielers stammt übrigens aus Karin Kuschiks Hörbuch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“. Ich kann es nur wärmstens empfehlen.